Ja, wie fängt man an? Ich habe lange überlegt, ob es hier weitergeht und wie.
Ob der Corona-Horror einen Raum auf unseren Blog bekommt oder nicht. Aber unser Jahr 2021 war nun einmal unser Corona-Jahr und hat tiefe Spuren hinterlassen. Es gehört zu uns und ich denke, ohne diesen Beitrag heute, kann es sonst gar nicht weitergehen auf unseren Blog. Auch wenn es vielleicht noch etwas länger dauert, bis es wieder einen Beitrag gibt.
Während des zweiten Corona Lookdown, zwischen „Click und Meet“, „Click & Collect“ und „Homeoffice“, kam das Virus auch zu uns. Vieles ist nicht mehr, wie es mal war. Unsere Mutti ist an Corona verstorben. Heute jährt sich der Tag, an dem sie beigesetzt wurde, aber ich war leider nicht dabei……ich lag zu dieser Zeit selbst auf der Intensivstation in Beeskow, im künstlichen Koma und wurde beatmet. Aber ich fang der Reihe nach an.
Im März 2021 kam die Delta Variante des Corona-Virus zu uns, trotz all unserer Bemühungen, dass dies nicht passiert. Unsere Mutti war zu der Zeit 69 Jahre und hatte ihren voraussichtlichen Impftermin im Juni 2021. Jeder von uns hatte andere Symptome und unterschiedliche Verläufe. Die Kinder und meine Schwester haben es ganz gut weggesteckt. Frank hatte gar nichts und unserer Mutti, Jens und mir ging es schlecht. Wir lagen mehrere Tage mit hohem Fieber im Bett. Jens hat sich als Erster wieder gefangen und war auf dem Weg der Besserung. Unserer Mutti und mir ging es weiterhin schlecht. Während der ganzen Zeit haben wir uns nur Sprachnachrichten geschickt oder telefoniert, da wir ja in Quarantäne waren. Meine Schwester hat vieles gemanagt, Lebensmittel und Getränke organisiert und bei Ärzten angerufen. Da wir irgendwie so erzogen sind, dass man nur im „Notfall“ den Notarzt ruft, waren wir verunsichert, wie wir uns verhalten sollen. Ab wann ist ein Notfall ein Notfall? Silke hat dann beim Ärztlichen-Dienst angerufen und die Situation geschildert. Bekommen hat sie die Aussage: „…so lange Ihre Mutter noch mit Ihnen telefonieren kann, geht es ihr gut.“ Generell haben wir uns vom Gesundheitssystem nicht gut versorgt gefühlt, während unserer Infektion und in der Quarantäne Zuhause. Verantwortlich ist erstmal niemand und alles ein Kraftakt. Zwei Tage später lag unsere Mutti auf der Intensivstation im künstlichen Koma und wurde beatmet. Ein paar Tage später kam ich auch ins Krankenhaus, auf die Corona-Station. Dort verbrachte ich die Ostertage. Am Ostermontag wurde ich, auf dem Weg der Besserung, wieder entlassen. Unsere Mutti durften wir während der ganzen Zeit nicht besuchen. Alle Versuche wurden wegen Corona abgelehnt. Zwei Wochen später verstarb unsere Mutti an den Folgen ihrer Infektion. Wir waren geschockt. Unsere Welt stand still! Wie konnte das passieren?
Ich war 11 Jahr alt, als unser Vater verstarb und seither fürchtete ich mich vor dem Tag, an dem auch unsere Mutti von uns geht. Und plötzlich war er da. So gern hätte ich sie nochmal gedrückt oder mit ihr gesprochen, oder zumindest ihr Beigestanden, auf dem letzten Weg. Allein ist sie von uns gegangen – Coronaregelung. Silke und ich durften aber in der Pathologie von ihr Abschied nehmen, was gut war, damit wir überhaupt im Ansatz begreifen konnten, was in den letzten 3 Wochen passiert ist. Nach dem ersten Schock des Verlustes gibt es dann Vieles zu organisieren, unter anderem die Beerdigung.
Eine gute Woche später, ging es mir wieder schlechter und ich dachte, ich hätte vielleicht durch Corona eine Herzmuskel-Entzündung oder etwas in dieser Art und bin daraufhin wieder zum Arzt, bzw. Krankenhaus. An Corona selbst hatte ich da gar nicht mehr gedacht, aber das Leben sollte mich etwas Anderes lehren. Mein Herz war in Ordnung, aber meine Lunge nicht. Drei Tage später lag ich dann auf der Intensivstation, wurde ins künstliche Koma versetzt und beatmet. Für uns alle ein weiterer Schock.
Die Zeit im Koma bzw. die Aufwachphase war eine sehr dramatische Erfahrung für mich. Etwas zwischen Traum und Wirklichkeit, und meist mit negativen Gefühlen von Abhängigkeit verbunden. Nach meinem Koma wurde ich dann mit einer neuen Realität konfrontiert. Ich hatte an meinem Aortenklappen-Ersatz (wurde vor 25 Jahren eingesetzt) nun eine Endokarditis und ich brauchte dringend eine neue Herzklappe.
Nun stand an erst einmal eine Klinik zu finden, die mich in meinem schlechten Zustand operiert und überhaupt, mich transportfähig zu bekommen. Das Beatmungsgerät und ich sollten noch länger eine Einheit sein. Anfang Juni war es dann so weit. Ich kam mit dem Hubschrauber nach Berlin ins Herzzentrum. Dort bekam ich eine neue Aortenklappe und konnte Mitte Juni, mit Hilfe einer Sprachkanüle, das erste Mal wieder sprechen. Das war eine große Erleichterung für mich. Endlich konnte ich mich wieder mitteilen, auch wenn ich mich noch nicht bewegen konnte. Von da an ging es in die richtige Richtung, allerdings war es noch ein langer Weg bis ich meine komplette Eigenständigkeit zurückerlangen konnte. Ich übte erstmal wieder selber zu atmen und zu sprechen……man glaubt gar nicht, wie anstrengend das ist, was man sonst so selbstverständlich tut…….zum Anfang ein halbe Stunde am Tag und dann immer mehr….später kam sitzen und viel später stehen dazu und noch viel später laufen. Mitte August war ich dann endlich wieder zu Hause, nach 115 Tagen……mit meinem neuen Begleiter, dem Rollator. Mit Ach und Krach konnte ich einmal am Tag die 21 Stufen bei uns im Haus erklimmen.
Heute geht es mir gut. Ich arbeite wieder und brauche nicht mehr darüber nachdenken, wie oft ich die Treppen hoch und runter laufe. Ich habe noch Probleme mit meiner rechten Hand, so dass ich die Dinge nicht so machen kann, wie ich gern möchte und meine Lunge ist nicht ganz die Alte, aber ich lebe und bin selbständig und das ist wunderbar.
Die Türen unseres Ladens „Villa Rosengarten“ in Beeskow haben wir für immer geschlossen. So viele kleine Erinnerungen an unsere Mutti sind damit verknüpft, dass wir nicht einfach dort weiter machen können, wie es war. Für unsere vielen Kunden tut es uns sehr leid, aber wir brauchen diesen Abschluss für unsere Trauerarbeit.
Aber ihr kennt uns ja und uns fällt immer etwas Neues ein. Und so haben wir über den Winter fleißig gewerkelt und renoviert, und an Stelle unseres Ladens ist nun eine Ferienwohnung entstanden. Aber dazu ein anderes Mal mehr.
In unseren Laden in Frankfurt könnt ihr uns selbstverständlich nach wie vor finden. Mit viel Lust und Neugier suchen wir schöne Dinge, damit ihr es euch schön machen könnt oder anderen lieben Menschen eine Freude.
Wann es hier wieder etwas Neues gibt? Bleibt gespannt!
Gebt alle auf euch acht!
Eure Kathrin